01/02/2022 - Pressemappe - Treffen der europäischen Minister für Industrie und Binnenmarkt

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Lens, le 1er février 2022
 

COMMUNIQUE DE PRESSE

Pressemappe - Treffen der europäischen Minister für Industrie und Binnenmarkt


Im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft trafen sich am 31. Januar und 1. Februar 2022 die 27 für Industrie und Binnenmarkt zuständigen europäischen Minister in Lens, um über die Stärkung der strategischen Autonomie Europas zu sprechen. Die Ministerinnen und Minister betonten insbesondere, wie wichtig die Sicherung unserer internen und externen Versorgung mit kritischen Rohstoffen für die europäische Industrie ist.
Stärkung der strategischen Autonomie Europas durch die Verringerung von Schwachstellen
Die Pandemie hat eine Reihe von Schwachstellen in unserer Versorgung aufgezeigt. Diese Abhängigkeiten wirken sich negativ auf die Produktionsbedingungen aus und gefährden den Fortbestand von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Die Europäische Kommission ist sich dieser Herausforderungen bewusst und hat in ihrer aktualisierten Fassung der Europäischen Industriestrategie vom Mai 2021 eine Liste von Produkten identifiziert, bei denen die Versorgungssicherheit in Europa nicht immer gewährleistet ist. Diese Liste betrifft insbesondere die Bereiche Gesundheit, Verteidigung, Rohstoffe und Technologien, welche für den grünen und digitalen Wandel von entscheidender Bedeutung sind.
Die Mitgliedstaaten teilten die Diagnose der Kommission im Hinblick auf unsere Schwachstellen und stellten fest, dass – ohne Infragestellung der Vorteile unserer offenen Wirtschaft – dringender Handlungsbedarf besteht, um die strategische Autonomie der Union und ihre Reaktionsfähigkeit im Falle von Krisen wiederherzustellen. Sie begrüßten die zahlreichen Maßnahmen, die seit März 2020 ergriffen wurden, um unseren aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen gerecht zu werden, darunter:
  • Einführung gemeinsamer Industrieprojekte auf europäischer Ebene: Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) im Hinblick auf Batterien für Elektrofahrzeuge und die Mikroelektronik sowie neue in Vorbereitung befindliche Projekte in kritischen Industriezweigen wie der Elektronik, der Cloud- und Vernetzungstechnik, der Wasserstoffproduktion und dem Gesundheitswesen.
  • Verbesserung der Reaktionsfähigkeit bei Krisen durch die Schaffung der Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA)
  • Schaffung neuer Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere durch das europäische Konjunkturprogramm NextGenEU in Höhe von 750 Milliarden Euro
  • Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen durch handelspolitische Schutzinstrumente (TDI), die Begrenzung ausländischer Direktinvestitionen oder den Vorschlag für eine Verordnung zu ausländischen Subventionen, die zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen, vom Mai 2021 

In den Debatten wurden auch mögliche konkrete Maßnahmen zur Behebung unserer Schwachstellen angesprochen, beispielsweise das künftige Notallinstrument für den Binnenmarkt, welches diesen durch eine verbesserte Reaktionsfähigkeit der europäischen Institutionen und der Mitgliedstaaten im Krisenfall widerstandsfähiger machen wird. Es wird insbesondere darum gehen, die Anzeichen einer künftigen Krise im Vorhinein zu erkennen, eine bessere Abstimmung im Hinblick auf die Versorgung zu ermöglichen und außergewöhnliche Maßnahmen bei Unterbrechungen der Lieferketten zu ergreifen, beispielsweise durch eine Anpassung der öffentlichen Auftragsvergabe.

Im Laufe des Ministerrates erläuterte der EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, auch die Grundzüge der künftigen Mikrochip-Initiative, die es der Europäischen Union ermöglichen soll, 20 % der weltweiten Halbleiterproduktion bis 2030 zu gewährleisten: Die für Anfang Februar erwartete Verordnung wird den Übergang von der Forschungs- zur Produktionsphase beschleunigen, Investitionen in die europäischen Produktionskapazitäten ermöglichen und die Versorgungssicherheit im Krisenfall gewährleisten.
Im Februar wird die Kommission außerdem die Überarbeitung ihrer Analyse zu den strategischen Abhängigkeiten Europas veröffentlichen und dabei ihre Diagnose zu den für den ökologischen Wandel erforderlichen kritischen Metallen vertiefen. Sie wird unter anderem ein besonderes Augenmerk auf seltene Erden, Permanentmagneten, Magnesium und Baumaterialien legen. Darüber hinaus wird sie neue Schlüsselbereiche analysieren: die Produktion von Solarpanelen, Chemikalien, Cybersicherheit und IT-Dienste, insbesondere in den Bereichen Cloud Computing und Edge Computing.
Der zweite Jahresbericht über den Binnenmarkt wird eine Bestandsaufnahme und eine Analyse der Auswirkungen der Pandemie auf die wirtschaftliche Erholung der Industriezweige enthalten. Da der Übergang zu einer ökologischen, digitalen und widerstandsfähigen europäischen Wirtschaft erheblicher Investitionen bedarf, wird die Kommission auch eine detaillierte, auf von den Unternehmen durchgeführten Schätzungen beruhende Bedarfsanalyse für die einzelnen Industriezweige vorlegen. Diese zwei Veröffentlichungen werden zu den Diskussionen des Ministerrates zum Thema Wettbewerbsfähigkeit vom 24. Februar beitragen, auf dem die Ministerinnen und Minister aufgefordert werden, die von der Kommission aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten zu besprechen und sich zu neuen konkreten Maßnahmen zu äußern, die vorrangig umgesetzt werden sollen.

Agnès Pannier-Runacher erklärte:
„Es war mir ein Anliegen, meine europäischen Amtskollegen zu diesem Thema der strategischen Autonomie unseres Kontinents zusammenbringen, weil unsere Abhängigkeiten sehr konkrete Auswirkungen auf unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie auf unsere Unternehmen haben können, sei es durch längere Lieferzeiten oder Lieferausfälle bei der Versorgung mit kritischen Gütern oder auch in Form von Preissteigerungen. Wir werden die erforderlichen Mittel aufbringen, um unsere strategischen Abhängigkeiten zu antizipieren, und so investieren, dass wir sie beheben können. Die heutigen Gespräche stellen die Weichen für eine industrielle Erneuerung Europas.“

Maroš Šefčovič erklärte:
„Die strategische Autonomie ist entscheidend, um zu gewährleisten, dass Europa eine weltweit führende Wirtschaftsmacht bleibt. In einem immer komplexer werdenden geopolitischen Kontext, in dem der weltweite Wettbewerb immer mehr Branchen erreicht, müssen wir unser eigenes Schicksal schmieden und gleichzeitig eine langfristige Perspektive fördern. Das bedeutet, dass wir ein gewisses Maß an strategischer Kapazität brauchen, insbesondere im Hinblick auf kritische Technologien, Produkte und Komponenten. Um die Widerstandsfähigkeit unserer strategischen Wertschöpfungsketten zu stärken, sind mehrere Faktoren zu beachten, die allen Branchen gemein sind. Erstens bedeutet die Überwindung strategischer Abhängigkeiten nicht, dass wir Europa vor der Welt verschließen sollten. Zweitens ist die Industrie für diese Bemühungen wesentlich. Drittens müssen wir die Bedeutung von Forschung und Innovation anerkennen. Viertens müssen wir das Problem des Qualifikationsdefizits angehen, das immer gravierender wird. Und nicht zuletzt ist auch der Zugang zu öffentlichen und privaten Finanzmitteln ein dringliches Thema. Europa hat alle erforderlichen Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein.“ 

Thierry Breton erklärte:
„Europa handelt entschlossen, um Einfluss auf die geopolitische Dimension der Wertschöpfungsketten zu nehmen, in der unsere Abhängigkeit von Drittstaaten nach wie vor sehr häufig gegen unsere Interessen verwendet wird. Wir setzen uns gemeinsam dafür ein, Europa zu einem Vorreiter auf den Zukunftsmärkten zu machen, der in zukunftsträchtige Produkte sowie Technologien investiert, um wettbewerbsfähig zu bleiben sowie hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Europa der Industrie, das sich nicht damit begnügt, ein Subunternehmer zu sein und das sich wieder die Mittel beschafft, um für den eigenen Bedarf und zur Eroberung der Weltmärkte zu produzieren. Ein offenes Europa, das seine eigenen Bedingungen stellt.  Ein Europa, das seine Lieferketten sichert, neue Kräfteverhältnisse herstellt, um seine Abhängigkeiten realistischer anzugehen.“


Sicherstellung unserer Versorgung mit Rohstoffen und deren Nachhaltigkeit
Die Ministerinnen und Minister kamen überein, dass im Hinblick auf die Sicherstellung unserer Rohstoffversorgung dringender Handlungsbedarf besteht. Europa verfügt über erhebliche Bodenschätze und ein großes Potenzial an Fachwissen. Gleichzeitig kann es allerdings dazu kommen, dass Europa bei wichtigen Rohstoffen wieder auf andere Staaten angewiesen ist: kurzfristig, um weiterhin wesentlichen Produkte des täglichen Bedarfs herstellen zu können, und längerfristig, um die grüne und digitale Wende bewerkstelligen zu können.
Die Ministerinnen und Minister betonten die Notwendigkeit, die außereuropäische Versorgung mit Rohstoffen sicherzustellen: Sie sprachen über die strategischen Partnerschaften mit Drittstaaten (Ukraine, Kanada), die Möglichkeit der Entwicklung von Konzepten zur strategischen Speicherung und sogar über die Schaffung von speziellen Einrichtungen, die mit der Sicherung von Rohstoffen betraut sind, ähnlich der JOGMEC in Japan.
Darüber hinaus unterstrichen die Ministerinnen und Minister den Beitrag, welchen die Kreislaufwirtschaft und die Innovation zur Verringerung unserer Abhängigkeiten leisten können: Die Kreislaufwirtschaft ist eines der uns zur Verfügung stehenden Instrumente zur Stärkung unserer Widerstandsfähigkeit. Sie erfordert jedoch noch erhebliche zusätzliche Investitionen in Forschung, Recycling und nachhaltige Nutzung von Materialien.  
Schließlich betonten die Ministerinnen und Minister die Notwendigkeit, unsere heimischen Kapazitäten der Rohstoffproduktion zu verstärken, und diskutierten über von den Beteiligten zu diesem Zweck eingebrachte Vorschläge, wie z. B. die Umsetzung eines wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) für die betreffende Branche. Der Anspruch, die Nachhaltigkeit unserer Versorgungsketten zu verbessern, war für die gesamten Diskussionen richtungsweisend: Die Ministerinnen und Minister kamen überein, dass insbesondere die Sozialverträglichkeit der europäischen Projekte im Hinblick auf Rohstoffe erhöht werden muss.
Die Kommission hob die seit dem Sommer 2020 getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf Rohstoffe hervor, insbesondere die Veröffentlichung eines entsprechenden Aktionsplans im September 2020, und die Gründung der Europäischen Rohstoff-Allianz, in der 600 europäische Interessensgruppen vertreten sind. Diese Allianz hat einen Aktionsplan zu den seltenen Erden erstellt, in dem beispielsweise europäische Projekte identifiziert werden, durch die bis zu 20 % des europäischen Bedarfs an Rohstoffen bis 2030 gedeckt werden könnten. Zudem hat die Kommission kürzlich eine hochrangige Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit Magnesium, einem für viele Branchen wie z. B. die Automobilindustrie wesentlichen Rohstoff, beschäftigt. Ziel ist, dafür zu sorgen, dass 15 % der weltweiten Produktion bis 2030 in Europa stattfindet.

Die Teilnehmenden haben beschlossen, Überlegungen zu den Finanzierungsmöglichkeiten der Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen anzustellen. Darüber hinaus erwähnte die Kommission die neue Initiative der Europäischen Batterie-Allianz, deren Ziel darin besteht, einen Investitionsfonds in der Höhe von 400 Millionen Euro für nachhaltige Batteriematerialien einzurichten.Diese Überlegungen führen die Arbeit weiter, die von der Europäischen Kommission im Rahmen der Aktualisierung der EU-Industriestrategie sowie vom Europäischen Parlament, insbesondere durch den Bericht der Abgeordneten Hildegard Bentele, geleistet wurde. Sie dienen den Diskussionen auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs im März als Basis.

Agnès Pannier-Runacher erklärte:
„Im Bereich der kritischen Metalle hängt unsere Wirtschaft nach wie vor noch zu stark von außereuropäischen Lieferketten ab. Da diese Ressourcen begrenzt und der Konkurrenzdruck auf globaler Ebene hoch ist, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir jetzt unsere Versorgung mit unerlässlichen mineralischen Ressourcen sichern, um so bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Die heutigen Diskussionen haben klar gezeigt: Wir müssen gemeinsam alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um unsere außereuropäischen Lieferketten zu sichern, nachhaltiger zu konsumieren, Rohstoffe besser zu recyceln und sie, sofern möglich, direkt in Europa zu fördern. Wir müssen mehrere Herausforderungen überwinden, insbesondere um unseren Zielen konkrete Maßnahmen zuzuführen. Die Beiträge der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments sowie der Bericht von Philippe Varin zeigen uns in dieser Hinsicht konkrete Zukunftsperspektiven auf. Die heute verkündeten Ergebnisse sind ein wichtiger erster Schritt, den ich begrüße.“

Maroš Šefčovič erklärte:
„Eine sichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen nachhaltigen und ethisch vertretbaren Ursprungs wird ebenfalls grundlegend für das Fortbestehen unserer globalen Wettbewerbsfähigkeit sein. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass die EU ihre Rohstoffversorgung dynamischer sowie widerstandsfähiger gestaltet und nachhaltigere sowie effizientere Raffinerie- und Recyclinganlagen anschafft. Ich habe die Ministerinnen und Minister darüber informiert, dass unsere Industrieallianzen bahnbrechende Initiativen in die Wege geleitet haben, um Fonds einzurichten und Projekte für Rohstoffe von Primär- und Sekundärbatterien zu finanzieren. Die Europäische Batterie-Allianz hat einen neuen Fonds für nachhaltige Batteriematerialien geschaffen, durch den Investitionen in der Höhe von rund 400 Millionen Euro möglich sein dürften. Schätzungen zufolge könnten dadurch zehn Projekte finanziert werden. Die Europäische Rohstoffallianz hat zudem eine Arbeitsgruppe über die Rohstoffe für saubere Technologien gegründet, welche die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung mit einschließt.“

Thierry Breton erklärte:
Die Rohstoffversorgung bildet den Grundstein unseres Strebens nach Widerstandsfähigkeit, des guten Funktionierens des europäischen Binnenmarktes und der federführenden Rolle der europäischen Industriebranchen. Um aktiv zu handeln, dürfen wir nicht mehr darauf warten, dass unsere Abhängigkeitsverhältnisse gegen unsere Interessen und Werte ausgespielt werden. Diese Naivität gehört nun der Vergangenheit an. Uns stehen drei zentrale Handlungsinstrumente zur Verfügung: Investitionen, strategische Partnerschaften und die europäischen Rechtsvorschriften. Wir werden uns aller dieser Mittel bedienen, um unsere Versorgungsketten widerstandsfähiger zu machen und um unsere Produktionskapazitäten zu steigern.“